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Einweihung der Gedenkstätte in Berga/Elster mit jüdischem Ritual

11. September 2020
Berga/Elster, Konzentrationslager-Häftlingsfriedhof

Endlich sichtbar: Säulen tragen 315 Namen

Ein langer Weg ist zu Ende: Der KZ-Häftlingsfriedhof „Am Baderberg“ im thüringischen Berga/Elster ist als Gedenkstätte eingeweiht. Es ist die größte komplette Neuanlage einer Kriegsgräberstätte der vergangenen Jahrzehnte in Thüringen. Der Volksbund war maßgeblich an dem Projekt beteiligt.

Eine jüdische Zeremonie war Teil der feierlichen und bewegenden Einweihung. Neben den Nachfahren eines Opfers verfolgten sie auch Ministerpräsident Bodo Ramelow und der israelische Botschafter Jeremy Issacharoff. Alexander Nachama, der Rabbiner der Jüdischen Landesgemeinde Thüringen, sprach die Worte des Kaddisch, des jüdischen Totengebets.

Die vormals verwilderte und unscheinbare Anlage fällt jetzt beim Betreten der Waldlichtung sofort ins Auge – auch wegen ihrer besonderen Gestaltung. Auf 75 Granitsäulen sind die Namen der Opfer eingemeißelt. 257 jüdische und 58 weitere Opfer eines Außenlagers des KZ Buchenwald sind hier begraben. Sie starben zwischen Ende November 1944 und April 1945, in den letzten Monaten des Krieges.

Der Volksbund hatte den wichtigsten Part des Projekts übernommen – die einzelnen Grablagen auf schwer zugänglichem Terrain am Hang zu lokalisieren. Umbetter Joachim Kozlowski war das mit Hilfe der Firma Eggert aus Heek in Nordrhein-Westfalen gelungen. Sie hatte ehrenamtlich für den Volksbund gearbeitet und Georadar eingesetzt. Ihr Geschäftsführer Winfried Leusbrock ist Volksbund-Mitglied und nahm ebenfalls an der Einweihung teil.

Arbeit an jüdische Bestattungsriten angepasst

Mit Rücksicht auf jüdische Bestattungsriten und in enger Absprache mit dem Vorsitzenden der Jüdischen Landesgemeinde Thüringen, Prof. Reinhard Schramm, und Rabbiner Alexander Nachama wurden die Gräber mit aufwändiger Technik und geringstmöglichem Eingriff ins Erdreich kenntlich gemacht. Auch an der Gestaltung von drei neuen lnfotafeln war der Volksbund beteiligt.

1944 war in der Stadt Berga/Elster das Außenlager „Schwalbe V“ eingerichtet worden. Rund 3.400 Gefangene sollten 18 große Tunnel im Zickraer Berg für eine Fabrik zur Treibstoffgewinnung ausbauen. Dabei wurden vor allem Kriegsgefangene und Häftlinge aus dem KZ Buchenwald eingesetzt, unter ihnen viele Juden aus Ungarn.

In überfüllten provisorischen Unterkünften, unzureichend versorgt und bei brutaler Schwerstarbeit kamen in den sechs Monaten des Bestehens des Außenlagers 315 Gefangene aus zwölf Nationen ums Leben und wurden auf dem Baderberg in 75 Sammelgräbern verscharrt.

Ein Ort zum Trauern für Carl Flesch

Einer von ihnen war Dezsö Flesch aus Budapest, der auswandern wollte, solange es möglich war, aber dann blieb, um seine Eltern nicht zurückzulassen. Er wurde nach Deutschland verschleppt, wo er mit 44 Jahren in Berga/Elster starb. Sein Sohn Carl Flesch war mit neun Mitgliedern seiner Familie bei der bewegenden Veranstaltung dabei.

Der Stadt Berga/Elster sei mit Unterstützung des Freistaats Thüringen und vieler weiterer Partner die Neugestaltung des KZ-Häftlingsfriedhofes gelungen, sagte Ministerpräsident Bodo Ramelow nach der Einweihungszeremonie durch den Landesrabbiner Alexander Nachama.

Entstanden sei eine würdige Grabanlage und ein Ort gegen das Vergessen. Und: Die Nachkommen der Opfer seien dankbar, dass es nun diesen würdigen Ort der Mahnung und Erinnerung gibt. Mittel des Bundes aus dem deutschen Gräbergesetz hatten das möglich gemacht. Knapp eine halbe Million Euro hat das Projekt gekostet. Es ist die größte komplette Neuanlage einer Kriegsgräberstätte in Thüringen in den vergangenen Jahrzehnten, sagte Landschaftsarchitekt Steffen Möbius aus Erfurt, der mit der Neugestaltung beauftragt war.

Dank an Landesverband für federführendes Engagement

In seinem Grußwort zur Mitgliederversammlung des Volksbund-Landesverbandes zwei Tage später betonte Schirmherr Bodo Ramelow, wie sehr sich der Landesverband für die Neugestaltung der Anlage federführend eingesetzt habe. Dank der engagierten Arbeit werde jetzt vielen Opfern endlich Sichtbarkeit, persönliche Geschichte und Menschenwürde zuteil. Auch Heinz-Peter Beyer, der Bürgermeister von Berga/Elster als verantwortlicher Träger der Anlage dankte dem Volksbund bei der Einweihung für sein Engagement.

Zu den Teilnehmenden gehörten außerdem die Landtagspräsidentin Birgit Keller und der Vorsitzende der Jüdischen Landesgemeinde, Prof. Dr. Reinhard Schramm. Den Volksbund vertraten Bundesvorstandsmitglied Detlef Fritzsch sowie vom Landesverband Thüringen dessen Vorsitzender, Minister a.D. Dr. Michael Krapp, und Geschäftsführer Henrik Hug. Anne Weigang und Marlies Sommer aus Freital nahmen in Vertretung der Familie Kupferstein aus Israel teil, die wegen der Corona-Einschränkungen nicht anreisen durfte. Auch Mór Kupferstein ist in Berga/Elster begraben.

Die regionalen Medien berichteten ebenfalls, unter ihnen der MDR.

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