Der Volksbund, das Österreichische Schwarze Kreuz (ÖSK) und das ungarische Verteidigungsministerium luden am 24. August 2019 zum gemeinsamen Gedenken auf das Pordoi-Joch ein. Ort dieser internationalen Veranstaltung war die auf 2.232 Metern Höhe gelegene Kriegsgräberstätte in den Südtiroler Alpen. In der dortigen Gruft ruhen 8 582 österreichisch-ungarische Tote des Ersten Weltkrieges sowie 849 deutsche Gefallene des Zweiten Weltkriegs. Die Zeremonie diente zugleich der Eröffnung einer neuen Außenausstellung im Rahmen des „19 für 19 Projekts“.
Circa 150.000 Soldaten starben während der heftigen Gebirgskämpfe in den Alpen zwischen 1915 und 1918, zwei Drittel davon fielen nicht im Gefecht, sondern den extremen Umweltbedingungen des Hochgebirges mit Schnee, Eis, Lawinen und Steinschlag zum Opfer. Dazu kamen zivile Verluste. Ihnen allen galt das Gedenken vor hochalpiner Kulisse. Abordnungen von Soldaten und Reservisten der Armeen Österreichs, Ungarns, Italiens und Deutschlands boten den militärischen Rahmen.
In seiner Ansprache betonte Volksbund-Vizepräsident Wolfgang Wieland, dass „jedes Kreuz, jeder Grabstein, jede Gedenkinschrift ein Ausrufungszeichen ist, dass sich solch ein großes Sterben niemals wiederholen darf.“
Zugleich lenkte Wieland den Blick auf die neuen Ausstellungspulte , die für die gewandelte Wahrnehmung der Soldatenfriedhöfe im Dreiklang des Trauerns – Erinnerns – Gedenkens stehe: „Hundert Jahre nach dem Ende des Ersten und 75 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs sind Friedhöfe nicht nur zu Gedenkorten geworden, sondern zu Lernorten, auf denen die kriegerische Geschichte des 20. Jahrhunderts gegenwärtig ist und für jüngere Generationen erleb- und vermittelbar wird.“
Dass heute Deutsche, Italiener, Österreicher, Ungarn, die im vergangenen Jahrhundert in wechselnden Bündniskonstellation gegeneinander Krieg führten, heute gemeinsam der Toten gedenken, und dass dies ein Beleg für die friedensstiftende Wirkung des europäischen Gedankens sei, unterstrichen alle Redner. So der österreichische Generalkonsul Dr. Spadinger aus Mailand: „Auch wenn das Geschehene schon lange zurück liegt, sind völkerverbindende Veranstaltungen wie diese wichtig. Unser geeinter Auftritt hier und an vielen anderen Orten, an denen Menschen sinnlos ihr Leben gelassen haben, zeigt, dass wir in Europa aus der Geschichte gelernt haben. Diese Gedenkveranstaltungen lassen uns nicht nur das Vergangene verstehen, sondern auch die Gegenwart richtig einschätzen.“
Das Zeremoniell mit Totengedenken, dem Segen zweier ungarischer Feldgeistlicher, dem gemeinsamen Vaterunser und der Kranzniederlegung schloss mit einer Ehrensalve der Gebirgsschützen.
Die Laudatio zur Ausstellung hielt Dr. Markus Pöhlmann vom Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr in Potsdam. Er ordnete den Gebirgskrieg in den größeren Rahmen der Entwicklung des Kriegsbilds im Ersten Weltkrieg ein, das keine Pausen im Winter und keine befriedeten Räume, wie die Alpen, mehr kannte. Den Wert der Ausstellung vermittelte Dr. Pöhlmann wie folgt: „Friedhöfe in ganz Europa zeigen heute Ausstellungen, die mehr bieten sollen, als nur statistische Daten zu Bau und Belegung einer Kriegsgräberstätte. Von der Einzelbiographie ausgehend, erschließt sich dem Besucher das damalige Kriegsgeschehen, und der Soldatenfriedhof wird damit vom reinen Gedenk- zum zeitgemäßen Lernort.“ Gerade Orte wie das Pordoi-Joch mit seiner sehr hohen Besucherzahl bieten einen idealen Standort für hochwertige Ausstellungen dieser Art.
Die reine Außenraumausstellung fügt sich in das Gesamtbild der Anlage ein. Mit der Ausrichtung der Informationspulte wird ein inhaltlicher Zusammenhang zum historischen Geschehen hergestellt. Hebt der Besucher den Blick von den Pulten, die in die Berglandschaft weisen, wird er den gesprengten Gipfel des hart umkämpften Col di Lana sehen. Die Geschichte der Sprengung, bei der am 17. April 1916 zahlreiche österreichisch-ungarische Soldaten starben, ordnet die Ausstellung in den Kontext des Gebirgskrieges ein.
Auch die besondere Bauweise der Kriegsgräberstätte mit Bezügen zu mittelalterlichen Trutzburgen ist Thema der Ausstellung: Das Konzept der „Totenburgen“ steht für einen Ideologischen Ansatz, der diese als wehrhaften Wall der Toten um das Reich versteht. Der Volksbund sieht diese Interpretation heute kritisch und möchte durch die offene Umgangsweise zu einer Diskussion anregen.
Zum Abschluss der Gedenkveranstaltung folgte ein Empfang mit Imbiss in Sichtweite der Gruft, den die Buchensteiner Schützen ausrichteten.
Zwar ist eine Gedenkveranstaltung auf 2.300 Metern Höhe ein Wagnis, doch war der Feier gutes Wetter beschieden, das erst später mit wolkenbruchartigem Regen zeigte, welche Herausforderungen das Gebirge selbst im freundlichen August für den Menschen bereithält.
Am Abend gaben das ÖSK und der Volksbund noch ein Essen für die Delegationen bei dem Generalkonsul Dr. Spadinger eine Auszeichnung des Österreichischen Schwarzen Kreuzes erhielt. Dessen Generalsekretär, Oberst i.R. Barthou, verlieh Vizepräsident Wieland für die seit Jahren bewährte vorzügliche Zusammenarbeit das Ehrenkreuz des Volksbunds in Gold.
Alle Reden, die anlässlich des Gedenkens am Pordoi-Pass gehalten wurden, finden Sie in der zugehörigen Redenbroschüre.
Zum Hintergrund: Radiointerview mit Dr. Dirk Reitz. (Radio Grüne Welle, Ausstrahlung vom 24.8.19)