Zuvor hatte der Präsident des Volksbundes, Wolfgang Schneiderhan gemeinsam mit dem Bürgermeister von Langemark-Poelkapelle, Lieven Vanbellegheim und dem deutschen Botschafter in Belgien, Martin Kotthaus, Kränze in den Gemeinden Langemark und Wijschate niedergelegt, um der vielen Opfer der im Krieg zerstörten Orte zu gedenken. Der Bürgermeister dankte in seinem Grußwort dem Volksbund und resümmierte „…dass die Spuren dieses Krieges 100 Jahre danach noch immer vorhanden sind“.
Zur Bergung dieser Toten fanden sich Menschen aus ganz Europa zusammen: In einem transnationalen Crowdfunding-Projekt haben ehrenamtliche Helferinnen und Helfer unter wissenschaftlicher Begleitung deutsche, britische, französische und südafrikanische Tote geborgen und ihre Funde dokumentiert. Der Volksbund hatte das Projekt mit 25.000 Euro unterstützt.
Simon Verdegem, der Ausbettungsleiter betonte die besondere Bedeutung dieses transnationalen Projektes: „Nachdem gestern die britischen Soldaten beigesetzt wurden, sind wir heute zusammengekommen, um den deutschen Soldaten von Höhe 80 und Kameraden von ihnen, die an anderen Stellen gefunden wurden, einen endgütigen und würdigen Ruheplatz zu geben. Ich wage zu glauben, dass das Wissen, dass Menschen aus der ganzen Welt ihre Kräfte gebündelt haben, um ihre Gebeine zu bergen, sie Ruhe finden lässt. Es kann als Symbol für Frieden und Versöhnung zählen.“
1919 wurde der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge gegründet - mit dem Auftrag, die gefallenen deutschen Soldaten des Ersten Weltkrieges zu suchen, zu finden und würdig zu bestatten. Hundert Jahre später gehört dies noch immer zu den Kernaufgaben des Volksbundes. Er sucht, findet und bestattet die Toten der Kriege - zwischen 20.000 und 30.000 im Jahr. Die meisten Gräber von Kriegstoten des Zweiten Weltkrieges findet der Volksbund gegenwärtig in Osteuropa. Deshalb ist es schicksalhaft, im 100. Jahr des Bestehens fast 100 Tote des Ersten Weltkrieges einzubetten.
Auch Langemark hat eine besondere Bedeutung - ein Ort, der zwei Mal von der nationalistischen deutschen Propaganda missbraucht wurde. Im November 1914 behauptete die Oberste Heeresleitung, dass junge Regimenter mit dem Deutschlandlied auf den Lippen die feindlichen Stellungen eingenommen hätten. Dies war schlicht gelogen. Die Soldaten waren ins feindliche Maschinengewehrfeuer gehetzt worden. Ungeachtet des verlustreichen und auch militärisch sinnlosen Manövers stilisierten die Nationalsozialisten daraus den Mythos einer opferbereiten Jugend, um im nächsten Krieg wieder junge Männer in den Tod zu führen.
„Auf diesem Friedhof“, so sagte Wolfgang Schneiderhan in seiner Gedenkrede, „gibt es die Inschrift: ‚Deutschland muss leben, und wenn wir sterben müssen‘, eine Zeile aus dem Gedicht „Soldatenabschied“ von Heinrich Lerch aus dem Jahr 1916. An diesem Satz ist alles falsch. Deutschland, Belgien, Polen, Europa – sie werden nur leben, wenn sie nicht im Kampf gegeneinander sterben, sondern miteinander das Morgen friedlich gestalten.“
Martin Kotthaus, Botschafter der Bundesrepublik Deutschland beim Königreich Belgien erinnerte an das Leid der Toten, die in Langemark liegen. „Ihre Grabsteine sind Symbole nicht verwirklichter Träume, nicht gegangener Wege, nicht verwirklichter Lebensentwürfe. Liest man die Einträge der Tagebücher, die Soldaten beider Fronten im Krieg verfassten, so begegnet einem eine kollektive Sprache des Elends: in ihren Ängsten, in ihrem Leid, in ihren Nötigen und ihren nicht erfüllten Hoffnungen waren die junge Männer aller Streitmächte über nationale Grenzen und Freund- und Feindschaft hinweg einander so ähnlich, so eng beieinander“.
Mit Langemark wird der Friedhof der Studenten, der Jugendlichen verbunden. Auch deshalb passte es gut, dass bei dieser Gedenkveranstaltung Kinder und Jugendliche beteiligt waren. Schülerinnen und Schüler der Freien Basisschule Langemark forderten in ihrer Performance mehrsprachig: „Saatfrüchte dürfen nicht vermahlen werden!“ Schülerinnen und Schüler der Krollbachschule in Hövelhof inszenierten einen Dialog, die Frage, ob der Krieg von früher die Jugend von heute noch etwas angehe. Ja, stellten sie fest, denn in 24 Ländern ist zurzeit Krieg. Mazhar erzählt seiner Mitschülerin, warum er aus Afghanistan flüchten musste: „Mein Vater war Polizist und sollte für die IS arbeiten.“ Ihr Fazit: „Was für ein Glück, in Frieden zu leben“.
Johan Pauwels (l.) hat über viele Jahre hinweg ehrenamtlich hochwertige Fotoaufnahmen von Kriegsgräberstätten gemacht, in vielen Ländern und auf Friedhöfen unterschiedlicher Nationen.
Eine ökumenische Andacht, die Beisetzung der Särge und die Kranzniederlegungen beendeten die Gedenkveranstaltung auf der Kriegsgräberstätte.
Heute treffen sich in dieser Region, in der Kriege wüteten, Menschen aus ganz Europa: zum Erinnern und aus Interesse an der gemeinsamen europäischen Geschichte. In Langemark zeigt sich die Veränderung im Gedenken. Schon seit den frühen fünfziger Jahren begegnen sich Kinder und Jugendliche in der Jugendbegegnungs- und Bildungsstätte des Volksbundes in Lommel, lernen aus der Geschichte für die Zukunft.
Auf der Kriegsgräberstätte Langemark ruhen mehr als 44.000 Gefallene aus dem Ersten Weltkrieg, ungefähr 25.000 davon in einem Gemeinschaftsgrab. Die flämische Regierung unterstützt finanziell die Pflege und Restaurationsarbeiten der Kriegsgräberstätten Menen, Vladslo, Langemark und Hooglede, die seit acht Jahren unter Denkmalschutz stehen. Aus dem Ersten Weltkrieg blieben allein in Belgien 134.000 deutsche Soldatengräber zurück.
Yvan Vandenbosch wurde von Volksbund-Präsident Wolfgang Schneiderhan für seine Verdienste als Länderbeauftragter für Belgien mit dem Ehrenkreuz des Volksbundes in Gold ausgezeichnet. Nach 13 Jahren übergibt er die Aufgabe an Erik de Muynck.
Auf dem Weg zur Gedenkstätte als Lernort spielt auch die App "Digitaler Friedhof" eine wichtige Rolle. Besucher des Friedhofes Langemark beispielsweise, erfahren über die App alles Wissenswerte über die Geschichte des Friedhofes, die Gräber, die Flandernschlacht oder auch Mythen.