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27. Januar Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus

Opfer des Nationalsozialismus im Fokus

Der 27. Januar ist der „Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus“Weltweit erinnern Menschen an die Opfer der NS-Diktatur sowie an jene, die Widerstand leisteten und NS-Verfolgte schützten. Am 27. Januar jährt sich der Tag, an dem die Rote Armee 1945 die Vernichtungs- und Konzentrationslager in Auschwitz befreite.

1996 erklärte ihn der damalige Bundespräsident Roman Herzog zum gesetzlichen Gedenktag in Deutschland – auf Initiative Ignaz Bubis‘, des damaligen Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland. Zuvor war durchaus kontrovers diskutiert worden, ob ein Gedenken von deutscher Seite am Jahrestag der alliierten Auschwitz-Befreiung zu sehr von der deutschen Verantwortung für die beispiellosen Verbrechen gegen die Menschheit ablenken könne. Die Befürworter plädierten demgegenüber für den 27. Januar und gegen den 9. November als Alternative, da der Jahrestag der Reichspogromnacht zu sehr von den vielen weiteren Ereignissen der deutschen Geschichte an diesem Tag überschattet werde.

Nachdem jedoch 1994/1995 internationale Gedenkveranstaltungen – 50 Jahre nach der Landung in der Normandie beziehungsweise nach Kriegsende und der Befreiung der verschiedenen Konzentrationslager – große Beachtung gefunden hatten, fiel die Entscheidung, in Deutschland einen entsprechenden „Gedenktag an die Opfer des Nationalsozialismus“ einzuführen.

Weltweites Gedenken an unterschiedliche Opfergruppen

2005 riefen die Vereinten Nationen den „Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust“ am 27. Januar aus. Auch in weiteren Staaten wird im Rahmen eines nationalen Gedenktages an diesem Datum der NS-Opfer gedacht. Der israelische Gedenktag „Jom haScho’a“, die „Remembrance Days“ in den USA oder die Schoah-Gedenktage in Frankreich oder Österreich richten sich dagegen nach anderen religiösen Kalendertagen oder historischen Anlässen.

Erinnert wird an diesem Gedenktag an die Millionen Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung, Ausbeutung und Vernichtung. Dies umfasst unterschiedliche Opfergruppen wie die europäischen Juden, Sinti und Roma, Zwangsarbeiter, Kriegsgefangenen und Opfer des Vernichtungskrieges in Osteuropa sowie Menschen, die als Homosexuelle, mit einer Behinderung, als sogenannte „Asoziale“ oder aus politischen oder religiösen Motiven verfolgt wurden.

Bundesweit werden vor staatlichen Institutionen die Fahnen auf Halbmast gesetzt. Im ganzen Land finden Gedenkveranstaltungen und Gottesdienste, Lesungen, Zeitzeugengespräche und Bildungsprojekte statt. Dabei steht die Gedenkstunde im Deutschen Bundestag im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Neben der Auseinandersetzung mit der historischen Verfolgung im Nationalsozialismus werden auch aktuelle Fragen von Diskriminierung, Verfolgung und Menschenrechten thematisiert.

Gegenwartsbezug und Wandel des Gedenkens

Wir müssen über Auschwitz sprechen und über die Verantwortung, die wir als Konsequenz und Lehre aus dem Geschehenen tragen, jede Generation neu. Sie ist eng verknüpft mit der Verpflichtung, die Würde des Menschen und seine unveräußerlichen Rechte zu achten, sie zu schützen und zu verteidigen. Keinen Raum mehr dafür zu lassen, andere Menschen zu stigmatisieren, auszugrenzen, zu verfolgen.“

So fasste Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble den gegenwartsbezogenen Auftrag des Gedenktages im Rahmen der Gedenkstunde im Deutschen Bundestag 2020 zusammen. Ihre Gestaltung selbst ist ein Beispiel für diesen Gegenwartsbezug: Im Rahmenprogramm kommen junge Menschen in einer Internationalen Jugendbegegnung zusammen, in Podiumsdiskussionen und Ausstellungen werden die historische Fragen in eine breitere Öffentlichkeit getragen. Neben Ansprachen von staatlichen Repräsentanten aus dem In- und Ausland prägen die Gedenkbeiträge von Zeitzeugen und ihren Angehörigen diese Veranstaltung.

2011 sprach mit dem Holocaust-Überlebenden Zoni Weisz erstmals ein Vertreter der Sinti und Roma vor dem Bundestag; 2014 standen die Blockade von Leningrad und die Opfer der NS-Aushungerungspolitik im Mittelpunkt; 2017 erzählten Nachkommen von ihren Angehörigen, die aufgrund einer Behinderung im Nationalsozialismus ermordet worden waren. Damit lag jeweils bewusst der Fokus auf lange marginalisierten NS-Opfergruppen, die oftmals heute noch gesellschaftliche Diskriminierung erfahren.

Und auch viele Seiten der Entrechtung und Vernichtung der europäischen Juden sind bis heute zu wenig bekannt. So wies die Auschwitz-Überlebende und Schriftstellerin Ruth Klüger 2014 auf die systematische Ausbeutung durch Zwangsarbeit und das tabuisierte Schicksal von Frauen in der KZ-Haft hin, die zur Prostitution gezwungen worden waren.

Obgleich es mit jedem Jahr weniger werden, auch heute noch berichten hochbetagte NS-Überlebende auf Gedenkveranstaltungen oder vor Schulklassen von ihren Erfahrungen. Zugleich kommen nun stärker Zeitzeugen der zweiten Generation zu Wort, die als Kinder die NS-Zeit überlebten oder als Nachgeborene von den traumatischen Folgen dieser Gewalterfahrung, aber auch der Kraft des Weiterlebens in ihren Familien erzählen.

Lokale Erinnerung

Viele weitere kleinere oder größere Gedenkveranstaltungen, die bundesweit stattfinden, bieten zudem Raum für eine konkrete Auseinandersetzung mit der lokalen NS-Geschichte. So begeben sich Teilnehmende bei Gedenkspaziergängen wortwörtlich auf die Spuren und Lebenswege der Opfer vor Ort und setzen sich an den Orten der Verfolgung mit den Tätern und ihrer Rolle in der Nachkriegszeit auseinander. Schulprojekte erinnern an NS-Opfer der eigenen Schule, Kommunen gedenken der deportierten Bürger und laden bis heute Überlebende aus der ganzen Welt ein, immer mehr Institutionen arbeiten trotz vieler Widerstände ihre eigene NS-Geschichte auf.

 Auf vielen Kriegsgräberstätten im In- und Ausland sind NS-Opfer wie KZ-Häftlinge, sowjetische Kriegsgefangene oder Zwangsarbeiter bestattet, an die vor Ort an diesem und anderen Jahrestagen Menschen erinnern – wie im thüringischen Berga/Elster

Der Volksbund engagiert sich mit über 60 Kommunen aus Deutschland, Österreich und Tschechien für die Erinnerung an die nach Riga deportierten Jüdinnen und Juden. Sowohl an den Vernichtungsorten in Lettland als auch in den jeweiligen Heimatgemeinden werden ihre Verfolgung, aber auch das jüdische Leben vor der Schoah dokumentiert und in Ausstellungen, Symposien und Bildungsprojekten vermittelt. Anlässlich des 20-jährigen Bestehens des Riga-Komitees erscheinen mehrere Broschüren, geht eine bundesweite Wanderausstellung auf Tour, wird eine Dauerausstellung im Gedenkwald von Riga-Bikernieki eröffnet. Weiterfühende Informationen finden Sie auf www.riga-komitee.eu.

Digitale Formen des Erinnerns

Zunehmend findet das Schoah-Gedenken auch in digitalen Formen und Foren statt. Die umfangreichen, online zugänglichen Archivbestände sowie die eindrücklichen Videosammlungen von Zeitzeugenberichten bieten sich für Recherchen auf eigene Faust oder auch Projektarbeit an. In den sozialen Netzwerken wird beispielsweise unter dem Hashtag #WeRemember interaktiv gedacht: Auf der ganzen Welt posten Menschen Fotos von sich, auf denen sie ein Schild mit den Worten "I remember" oder "We remember" halten. Zu dieser Aktion hatte der Jüdische Weltkongress (WJC) als Dachverband von jüdischen Gemeinden und Verbänden aufgerufen.

Weitere Gedenktage an Schoah und NS-Verfolgung sind der 9. November (Reichspogromnacht von 1938), der 2. August (Internationaler Tag des Gedenkens an den Genozid an den Sinti und Roma) und die Jahrestage der Befreiung der verschiedenen Konzentrationslager.