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Volkstrauertag 2023

"Ich glaube noch immer an den Frieden“ – anrührend war das Statement von Kateryna Khrapak im Bundestag. Mit diesem Bekenntnis stimmte die junge Ukrainerin mit Kronprinzessin Victoria von Schweden überein. Hoffnung machten beide – die prominente Rednerin ebenso wie die Studentin – bei der Zentralen Gedenkstunde des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge am Volkstrauertag.

„Wir versammeln uns hier in ernsten Zeiten“, sagte Kronprinzessin Victoria auf Deutsch vor den rund 1.200 Gästen im Rund des Berliner Reichstages. Mit ihrer tiefen Stimme erreichte die Monarchin mühelos ihre Zuhörerinnen und Zuhörer, darunter viele hochrangige Repräsentanten aus Politik und Zivilgesellschaft.

„Die Menschheit steht vor Herausforderungen, die immer schwieriger und dringlicher werden. Die Stimmung in der Welt ist so eisig wie seit langem nicht mehr“, sagte die 46-Jährige. Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine bedrohe den Frieden auf dem gesamten Kontinent, erschüttere die Grundfesten der Weltordnung.  
 

„Dunkelste Vergangenheit überwunden“

Dennoch gelang es der Tochter des schwedischen Königs Gustav, Zuversicht zu verbreiten: „Die deutsche Erfahrung zeigt, dass es möglich ist, selbst die dunkelste Vergangenheit zu überwinden." Es sei eine „Quelle der Hoffnung, dass die Regierungen und Völker im demokratischen Europa in einer schweren Zeit zusammenhalten“, sagte sie weiter.

Heute sei Deutschland ein Land, „auf das wir Schweden blicken, wenn es um die gemeinsame Aufgabe geht, ein Europa des Friedens und der Freiheit zu errichten. Wir stehen heute noch enger zusammen als früher,“ betonte die Kronprinzessin.
 

NATO-Beitritt als „Zeitenwende“

Von „Zeitenwende“ sprach der hohe Gast mit Blick auf den Beitritt Schwedens zur NATO, „der größten sicherheitspolitischen Veränderung seit den napoleonischen Kriegen“. Damals hätte das skandinavische Land auf Macht und Ruhm verzichtet und sei dafür mit mehr als 200 Jahre Frieden belohnt worden.

„Europa kommt jetzt zusammen, um sich den Herausforderungen zu stellen, vor denen unser Kontinent steht“, sagte Victoria. Dazu zählte sie auch Umwelt- und Klimaschutz sowie die Möglichkeiten und Risiken neuer Technologien. „Das wird außergewöhnliche Anstrengungen erfordern, aber ich bin überzeugt, dass diese Anstrengungen unternommen werden und dass die schwedisch-deutsche Zusammenarbeit noch weiter ausgebaut wird. Lassen Sie uns gemeinsam dazu beitragen!“ (Rede im Wortlaut)

Gedenken und Innehalten weiter wichtig

Volksbund-Präsident Wolfgang Schneiderhan sagte an den prominenten Gast  gewandt: „Wo es um Frieden und Demokratie geht, ist Schweden immer zu finden“ – sei es bei den Vereinten Nationen, im Europarat, im Nordischen und im Ostsee-Rat, in der OSZE und in der Europäischen Union. „Im Engagement für Frieden, Demokratie und Ausgleich wissen wir uns mit Ihrem Land, Königliche Hoheit, einig.“

Angesichts des Angriffs der Hamas auf Israel, des erneut aufkommenden Antisemitismus und der Brutalität des russischen Krieges in der Ukraine sprach Schneiderhan von Fassungslosigkeit. „Sind also Gedenken und Innehalten sinnlos, weil es nichts bewirkt? Nein, das Gegenteil ist der Fall“, betonte der Volksbund-Präsident.

70 Jahre Jugendarbeit

Dass Kriege keine Probleme lösen, sei als Botschaft nicht überall in Europa angekommen, so Schneiderhan weiter. Davon auszugehen, dass die Menschen diese Lektion gelernt hätten, nannte er einen kollektiven Irrtum. Dem setzte er die Vermittlungs- und Bildungsarbeit entgegen, die der Volksbund seit 70 Jahren leistet.

„Unser Gedenken beschäftigt sich also nicht nur mit den Verstorbenen, sondern auch ganz wesentlich mit den Lebenden. Gedenken gewinnt seine Bedeutung daraus, dass wir die Zukunft im Blick haben“, betonte der Volksbund-Präsident (Rede im Wortlaut).

Stimmen aus vier Nationen

Für die Zukunft standen drei junge Leute, die anschließend ans Rednerpult traten, sowie ein „Ehrenamtler”, der seit Jahrzehnten dabei ist. „Ich glaube noch immer an den Frieden“, sagte Kateryna Khrapak aus der Ukraine –  wegen des „Widerstands, der Kraft und der Einigkeit, die die Ukrainer täglich zeigen, wegen der Unterstützung und des Vertrauens, das wir von der zivilisierten Welt erhalten, und vor allem wegen der Menschlichkeit“. Die 18-Jährige studiert Kommunikationswissenschaften in Klaipeda (Memel) in Litauen.

Auch PEACE LINE – ein internationales Volksbund-Jugendformat – stärke ihren Glauben an Frieden, denn es biete die einzigartige Gelegenheit, neue Perspektiven für Völkerverständigung zu gewinnen. Solche Projekte „erweitern unseren Blick auf die Welt und machen uns resistent gegen Propaganda“, so Kateryna Kharpak. Krieg beginne nicht mit dem ersten Schuss, sondern „mit den ersten Worten, die die Notwendigkeit eines Krieges rechtfertigen.“

„Wir sollten uns nicht vor der Verantwortung fürchten, wir sollten aktiv werden, anstatt nur Zuschauer zu sein“, betonte die 18-Jährige. „Freiheit in jedem Sinne, den wir in dieses Wort legen können, ist der einzige Weg für uns alle zu überleben, uns weiterzuentwickeln und Frieden zu finden“ (Rede im Wortlaut).

Die legendären Weißen Busse

Die Schwedin Lovisa Widenmeyer studiert Medizin in Uppsala und war ebenfalls mit PEACE LINE unterwegs. Ihre schwedische Großmutter war 1945 durch eine Rettungsaktion der legendären „Weißen Busse“ von Deutschland nach Schweden gekommen. Ihr deutscher Urgroßvater hatte als Psychiater passiven Widerstand geleistet und war gestorben, ohne dauerhaft wieder mit seiner Familie vereint zu sein. Sein Vorbild erinnere sie „an die Stärke, die in uns allen stecken kann.“

„Unsere Berufsethik und unsere Verpflichtungen gegenüber den Menschen, denen wir dienen, gehören zu den stärksten und wertvollsten Werten, die wir besitzen. Wenn wir uns von ihnen leiten lassen, wird dies zweifellos zu einer mitfühlenderen Gesellschaft führen. Wir werden ein Beispiel geben und man wird sich an uns erinnern“, sagte die 21-Jährige (Rede im Wortlaut und Interview).

Hoffnung weitergeben

Yacine Diallo Gaujot von der französischen Partnerorganisation Bellidée lenkte den Blick auf die Schlachtfelder von Verdun und auf deutsche Arbeitslager des Ersten Weltkrieges sowie auf den Kampf alliierter Truppen in der Provence 1944. „Meine Familie hat – wie so viele andere – so viele Tränen und Blut vergossen“, sagte die junge Frau mit senegalesischen Wurzeln und berichtete von der Angst vor Bombenangriffen, von Witwen und Halbweisen und dem Überlebenskampf in ihrer Familie.

„Die Hoffnung meiner Vorfahren auf eine Welt des Friedens ist immer noch nicht erfüllt. So lange dieser Wunsch nicht in Erfüllung geht, werde ich diese Hoffnung weitergeben“, schloss die 31-Jährige (Rede im Wortlaut).

„Großartige Idee – wir machen weiter!"

Als eine großartige Idee bezeichnete Klaus Knoll es, junge Menschen zu Verständigung und Dialog an Kriegsgräber einzuladen. Das ist der Kern von 70 Jahren Volksbund-Jugendarbeit – mehr als 40 Jahre davon hat der Schwabe mit Wurzeln im „Jugendlager Federsee“ miterlebt und ehrenamtlich mitgestaltet. Gerade in Russland habe er das Gefühl gehabt, einen Beitrag zu gelebter Versöhnung zu leisten. „Frieden und Zusammenarbeit in Europa sind nicht mehr selbstverständlich“, bedauerte der 57-Jährige (Rede im Wortlaut).

„Arbeit, Bildung und Begegnung auf Kriegsgräberstätten – wir machen weiter!“, versprach Klaus Knoll kämpferisch und thematisierte damit das Motto, das sich durch die Gedenkstunde zog. Getragen ist es von der Hoffnung, dass sich die tiefen Krisen in Europa – trotz der kriegerischen Auseinandersetzungen – und die weltweiten Konflikte lösen lassen. Diese Hoffnung ist es, die in „eisigen Zeiten” Wärme und Zuversicht verbreiten kann.

Prominente Gäste begrüßt

Wolfgang Schneiderhan hatte außer der Kronprinzessin und Prinz Daniel von Schweden weitere Ehrengäste begrüßt, unter ihnen Aydan Özoğuz als Vizepräsidentin des Bundestages, Manuela Schwesig als Präsidentin des Bundesrats sowie Verteidigungsminister Boris Pistorius und Prof. Dr. Stephan Harbarth, den Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts.

Zu den Gästen gehörten auch Mitglieder des Diplomatischen Korps, der Bundesregierung und des Bundestages, der Landesregierungen und Länderparlamente, die Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, Dr. Eva Högl, Vertreterinnen und Vertreter der Bundeswehr und des Reservistenverbandes, Repräsentanten der Glaubensgemeinschaften und der Volksbund- Partnerorganisationen aus dem In- und Ausland.

Totengedenken und Hymnen

Die Gäste im Saal und Tausende an den Fernsehschirmen hörten das Totengedenken, das Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier verlas, die Totensignale, die Europahymne und die Nationalhymne, mit der die wichtigste Veranstaltung des Volksbundes des Jahres zu Ende ging.

Die Aufzeichnung der ARD finden Sie hier: Bundestag live | ARD Mediathek.
Zeitgleich fanden im ganzen Land und an vielen Orten im Ausland Gedenkstunden zum Volkstrauertag statt. Über Veranstaltungen im Vorfeld in Berlin berichten wir hier:
Gedenken an Soldatengräbern: „Jeder Mensch ist wie eine Welt“
Aufruf zu Verantwortung und Zivilcourage: „Wachsam sein ist nötig!

Den Volkstrauertag 2023 begingen wir gemeinsam mit unserem Partnerland Schweden. Zusammen erinnerten wir an unsere weitreichende Geschichte bis hin zur heutigen Partnerschaft in einem vereinten Europa der freiheitlichen und friedlichen Demokratien. Zugleich wurde in diesem Jahr im Besonderen der Toten des Angriffskrieges gegen die Ukraine gedacht. Als Hauptrednerin sprach I.K.H. Kronprinzessin Victoria von Schweden im Deutschen Bundestag. Der Jugendchor des Goethe-Gymnasiums Schwerin sowie das Musikkorps der Bundeswehr umrahmten die Gedenkstunde musikalisch . Zudem waren vier kurze Redebeiträge zum Thema "70 Jahre Jugendarbeit an Kriegsgräberstätten" von Personen aus der Zivilgesellschaft zu hören.